Wie können Bühnenbilder nach der Dernière der Produktion, für die sie entstanden sind, weiter genutzt werden? Begrenzte Lagerkapazitäten und zum Teil noch fehlende Umsortierungs-Mechanismen führen dazu, dass der Großteil der Theatermaterialien ohne Nachnutzung in der Müllpresse landet.
Für die Festivalausgabe 2022 entwickelte die Architektin und Bühnenbildnerin Eva Veronica Born das Projekt „Theater / Material / Kreislauf“: Das Theatertreffen-Festivalzentrum wird nach den Corona-Jahren 2020 und 2021 ausschließlich aus „abgespielten“ Bühnenbildern und recycelten Elementen aus verschiedenen Kontexten bestehen, die nach Ende des Festivals weiteren und neuen Nachnutzungskreisläufen zugeführt werden.
Ein Ausgangspunkt für das Projekt war das Projekt „Heart Chamber Fragments“ des Theaterkollektivs Papertiger aus Beijing/Berlin, das an den
Münchner Kammerspielen im Herbst 2021 uraufgeführt wurde. Die Produktion wurde sechs Wochen en suite in München gespielt; aufgrund der Corona-Pandemie musste die anschließend geplante Tour durch China abgesagt werden. Das Bühnenbild aus hochwertigem, universell einsatzbaren und aufwendig hergestelltem Granulat wurde zur Entsorgung freigegeben, obwohl dieses Granulat als feuerfeste Schüttdämmung auf auf Baustellen verschiedenster Art eine nachhaltige Nachnutzung finden könnte.
Mit den Berliner Festspielen, den Münchner Kammerspielen und Kunst-Stoffe – Zentralstelle für wiederverwendbare Materialien e.V. entstand die Zusammenarbeit mehrerer Institutionen, die einen Transport nach Berlin organisierten und dort nach dem Theatertreffen 2022 die Weiternutzung vermitteln und koordinieren. So wird ein großer Teil des pinken Granulats im Anschluss an das Theatertreffen nach Kassel zur documenta fifteen gebracht und dort im Rahmen einer Kunstinstallation weiterverwendet. Weitere Anteile werden als Schüttdämmung bei Bauvorhaben im Berliner Umland dienen, womit das Material seinem ursprünglichen Nutzen wieder zugeführt wird. Am Volkstheater in Wien wird aus einem Teil des Granulats ein weiteres Bühnenbild entstehen.
Ein weiteres Bühnenbild stammt von der Theaterproduktion „Forecast“ des Regisseurs und Komponisten Ari Benjamin Meyers an der Volksbühne Berlin. Das Projekt konnte infolge der Corona-Lockdowns sowie mehrerer Leitungswechsel des Theaters nie öffentlich vor Publikum gezeigt werden, das aufwendig produzierte Bühnenbild sollte im Januar 2022 entsorgt werden
Durch das Projekt „Theater / Material / Kreislauf“ konnte das Forecast-Haus – ein Bausatz, der während der Aufführung zu einem Haus zusammen- und wieder auseinandergebaut wurde – von der Volksbühne erworben und für das Theatertreffen-Festivalzentrum 2022 im Garten des Haus der Berliner Festspiele nachgenutzt werden. Das Forecast-Haus dient beim Festival als Aufenthaltsort und präsentiert die Komposition aus dem Stück als Audio-Installation. Nach dem Theatertreffen wird das “Forecast House” von der haubrok foundation übernommen und in weiteren Kontexten zu sehen sein. Für die „Forecast“-Inszenierung, die als Abend über den Klimawandel und Ressourcenverschwendung erarbeitet wurde, stellt diese Nachnutzung eine konzeptionelle Fortsetzung dar.
Dem „Theater / Material / Kreislauf“-Projekt vorausgegangen ist die Arbeit für die Gestaltung des Festivaldesigns des Theatertreffens, für das Eva Veronica Born seit 2015 einen nachhaltigen Ansatz verfolgt und Elemente des Festivalzentrums der vorangegangenen Theatertreffen in die Gestaltung miteinbezieht, sie verändert und in neue Kontexte stellt. So wurde zum Beispiel für die Festivalausgabe 2022 die Konstruktion und Umrandung des Granulat-Pools aus einem für das Theatertreffen 2017 entworfenen „Labyrinth“ aus Holzbänken und Winkeln geplant und gebaut. Die geschlossene „Camp-Arena“ des Theatertreffens 2015 findet sich als langgezogene, bunte Sitztreppe für die Zuschauer:innen 2022 im oberen Foyer des Festspielhauses. Die kleinen stapelbaren Hocker, die für eine Veranstaltungsreihe des Theatertreffens 2016 konzipiert wurden, sind in diesem Jahr überall auf dem Campus verstreut und bieten Möglichkeiten für spontane Begegnung und Austausch. Ein hölzerner Steg, der im Jahr 2015 in den damals zum ersten Mal genutzten neuen Haupteingang des Festspielhauses führte, wurde für das Theatertreffen 2022 in Sitzbänke verwandelt, die die Zuschauer:innen hinter diesem mittlerweile etablierten Haupteingang empfangen.
/// Theater / Material / Kreislauf /// Eva Veronica Born in Kooperation mit: Berliner Festspiele,
Kunst-Stoffe – Zentralstelle für wiederverwendbare Materialien e.V., Münchner Kammerspiele, haubrock foundation, documenta fifteen, Volkstheater Wien, Volksbühne Berlin